Susi Mauderli

Susi Mauderli bezeichnet sich selbst als Genussmenschen und geht bei jeder Gelegenheit in die Berge. «Das gibt mir Kraft und tut mir gut. Die Konzentration beim Bergsport empfinde ich als enorm befreiend.»

«Gewalt in jeder Form macht mich wütend»

Susi Mauderli

(*1970) lebt im Kanton Solothurn. Sie ist alleinerziehende Mutter zweier Töchter. Nach ihrer Ausbildung als Betriebsassistentin PTT arbeitete sie mehrere Jahre auf Poststellen in der Nordwestschweiz und unternahm mehrmals längere Auslandsreisen. Heute verbringt sie ihre Freizeit am liebsten in den Bergen. Seit 2002 arbeitet sie bei Procap Schweiz – bis 2020 in der Abteilung Marketing und Kommunikation, seither bei Procap Reisen.

Interview: Sonja Wenger, Fotos: Markus Schneeberger

Procap: Anfang Februar konntest du dein zwanzigjähriges Arbeitsjubiläum bei Procap Schweiz feiern. Das bedeutet aber auch, dass deine ersten Tage und Wochen sehr turbulent gewesen sein müssen.
Susi Mauderli:
In der Tat. Genau an meinem ersten Arbeitstag fand der Namenswechsel von «Schweizerischer Invalidenverband» zu «Procap Schweiz» statt, und es war eine meiner ersten Aufgaben in der Abteilung Marketing und Kommunikation (Markom), diesen Namenswechsel per Post den Medien mitzuteilen. Hinzu kam, dass einen Monat vorher der Euro eingeführt worden war. Damals kamen für die Fremdwährungsaktion ohne Übertreibung lastwagenweise europäische Währungen zu uns. Wir hatten zeitweise bis zu 50 Tonnen Münzen und Banknoten gelagert. Ich war von meiner Tätigkeit bei der Post den Umgang mit Geld gewohnt. Aber immer schön geordnet und auf den Rappen genau gezählt. Bei Procap haben wir das Geld dann zentnerweise in Kisten und Säcken herumgefahren. Da gab es schon viele absurde Situationen. Eigentlich schade, bin ich mit all dem Geld im Auto nie in eine Polizeikontrolle geraten.

Was bedeutet Procap für dich?
Ich kann mich vollkommen mit den Zielen von Procap identifizieren. Dieses Herzblut bei der Arbeit war für mich schon immer sehr wichtig. Genauso wie der Kontakt mit den Menschen, sei es mit den Mitgliedern der Sektionen, den Reisekund*innen oder mit den Mitarbeitenden. Ich hatte vor einigen Jahren eine schwierige Zeit. Ein berufliches Umfeld, das einen trägt und Rückhalt gibt, ist unter normalen Umständen bereichernd. In einer Krise ist es enorm wichtig.

Bei deiner älteren Tochter wurde erst spät eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) diagnostiziert. Wusstest du aufgrund deiner Tätigkeit bei Procap besser, was du tun musst?
Ich wusste zu Beginn ganz und gar nicht, was ich tun sollte. Auch weil mir jahrelang niemand geglaubt hat, dass mit dem Kind etwas anders ist. Als wir mal bei Procap eine Weiterbildung zum Thema Asperger und ASS absolvierten, klang für mich alles recht vertraut. Dennoch vergingen Jahre bis zur Diagnose; die war dann sehr deutlich. Durch Procap habe ich natürlich gute Informationen, was wann zu tun ist, das ist sehr hilfreich.

Worauf bist du in deinem Leben besonders stolz?
Dass ich schwierige Jahre gut gemeistert habe. Ich bin daraus gestärkt hervorgegangen, habe viel reflektiert und gelernt. Heute bin ich mit mir im Reinen und zufrieden.

Wenn du eine Superkraft haben könntest, welche wäre das?
Ich würde für Frieden auf dieser Welt sorgen, im Grossen wie im Kleinen. Jede Form der Gewalt, sei es in der Familie, gegen Schwächere oder gegen Minderheiten, gegen Menschen, aber auch gegen Tiere macht mich wütend.

Hast du einen verrückten Traum?
Ich würde gerne mal auf der Spitze meines Lieblingsberges, des Eigers, stehen – und aus eigener Kraft dorthingekommen sein, also nicht mit dem Helikopter hochfliegen. Das ist theoretisch zwar machbar. Aber ich denke nicht, dass ich dies mit meiner Kondition schaffen würde.

Was hat sich deiner Meinung nach in den letzten 20 Jahren in Bezug auf die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen verändert?
Früher wurde etwa das Wort «invalid» kaum hinterfragt, auch nicht von Menschen mit Behinderungen selbst. Man hat früher auch Familienmitglieder mit einer Behinderung versteckt. Sie waren bei Anlässen einfach nicht dabei. Aus heutiger Sicht ist das unglaublich! Oder dass man noch bis vor einigen Jahren Kinder mit einer Behinderung automatisch in eine Sonderschule steckte, obwohl sie von ihren kognitiven Fähigkeiten her in die Regelschule gehörten. Da hat sich in der Wahrnehmung und bei der Haltung der Gesellschaft schon sehr vieles verbessert.

Was braucht es, damit die Gesellschaft inklusiver wird?
Ich denke, dass nicht nur die Gesellschaft sensibilisiert werden muss. Jeder Mensch sollte sich so zeigen, wie er ist, und tun, was er möchte, ohne sich selbst oder andere einzuschränken. Denn jeder Mensch, ob mit oder ohne Behinderungen, kann von der Vielfalt der anderen lernen und profitieren.