Vereinbarkeit Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung

Vereinbarkeit Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung

Auch der Ständerat will die Situation von betreuenden und pflegenden Angehörigen endlich verbessern

Am 4. Dezember 2019 beriet der Ständerat erstmals die Vorlage zur Angehörigenbetreuung. Wie zuvor der Nationalrat unterstützte auch der Ständerat die vier vorgesehenen Massnahmen, um die Vereinbarkeit der Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung zu verbessern. Zusätzlich nahm er auf Antrag seiner Kommission eine wichtige Korrektur betreffend der im März verabschiedeten EL-Reform in die Vorlage auf. Diese Korrektur muss nun noch vom Nationalrat bestätigt werden, bevor die Vorlage voraussichtlich Ende der Wintersession vom Parlament verabschiedet werden kann.
 
Mit dem Bundesgesetz zur «Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung» sollen Personen entlastet werden, die zusätzlich zur Erwerbstätigkeit auch Angehörige betreuen. Nachdem der Nationalrat bei der Erstberatung der Vorlage am 23. September 2019 weitgehend den vorgeschlagenen Massnahmen des Bundesrats zugestimmt hatte, folgte der Ständerat nun den Empfehlungen seiner Kommission und unterstützte die vier Massnahmen einstimmig. Diese umfassen einen 14-wöchigen Betreuungsurlaub für Eltern, die ihr schwer krankes oder verunfalltes Kind pflegen, die Möglichkeit, bis zu zehn Tage pro Jahr (maximal drei Tage pro Ereignis) zur Pflege und Betreuung von Angehörigen bezahlt frei zu nehmen sowie Anpassungen bei den AHV-Betreuungsgutschriften, welche die heutigen familiären Realitäten zwar nach wie vor unvollständig, aber dennoch verbessert berücksichtigen.

Besonders erfreut ist Procap, dass die Vorlage auch die Situation von Familien mit Kindern mit Behinderungen verbessert, indem endlich der Anspruch auf Hilflosenentschädigung (HE) und der Intensivpflegezuschlag (IPZ) bei Kindern im Spital angepasst wird. Procap Schweiz setzt sich seit Jahren stark dafür ein, dass bei Kindern diese Entschädigungen nicht mehr ab dem ersten Spitaltag gestrichen werden. «Wir sind sehr erleichtert, dass künftig HE und IPZ bei Präsenz der Eltern im Spital auch bei längeren Aufenthalten der Kinder bezahlt werden. Mit dieser Anpassung werden Kinder mit Behinderungen und ihre Familien nicht länger während den besonders zehrenden Spitalaufenthalten zusätzlich finanziell belastet», sagt Sara Schmid, Verantwortliche Sozialpolitik bei Procap Schweiz.

Ständerat ermöglicht weiterhin gemeinschaftliches Wohnen für EL-Beziehende
Der Ständerat nutzte diese Vorlage auch, um einen unbeabsichtigten Fehler aus der im März 2019 abgeschlossenen, aber noch nicht in Kraft getretenen Revision der Ergänzungsleistungen zu korrigieren. Die Korrektur betrifft betreuende Angehörige, welche mit den betroffenen EL-Beziehenden in derselben Wohnung leben. Durch die neue Berechnungsformel bei der Berechnung der Mietzinsbeträge wären gemeinschaftliche Wohnformen kaum mehr bezahlbar. Procap Schweiz hatte sich stark dafür engagiert, dass gemeinschaftliches Wohnen für EL-Beziehende weiterhin möglich und bezahlbar bleibt. Die Kommission des Ständerats hat nun gemeinsam mit der Verwaltung eine Lösung erarbeitet, die zumindest einen wichtigen Teil der in der Interpellation 19.3436 vom Mai 2019 aufgezeigten Probleme löst. «Die Ansätze bleiben zwar knapp, aber mit dieser Anpassung können viele EL-Beziehende in ihrem stabilen Wohnumfeld bleiben und sind nicht gezwungen in teurere, aber besser finanzierte Einpersonenhaushalte umzuziehen», sagt Alex Fischer, Bereichsleiter Sozialpolitik bei Procap Schweiz. Procap Schweiz begrüsst daher diese wichtige Korrektur und hofft, dass auch der Nationalrat dieser zustimmt.

Wichtiger erster Schritt – Handlungsbedarf bleibt bestehen
Die Vorlage ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, allerdings bleiben viele Betroffene von den Massnahmen ausgeschlossen. Beispielsweise ändert sich die schwierige Situation von erwerbstätigen Erwachsenen, die ihre schwer erkrankten Eltern oder Partner pflegen, durch die Vorlage kaum. Doch auch sie bräuchten die Möglichkeit, einen Betreuungsurlaub in Anspruch nehmen zu können. Die beschlossenen Massnahmen sind zudem in vielen Fällen ungenügend – so braucht ein krebskrankes Kind die enge Betreuung seiner Eltern in der Regel weit über 14 Wochen. Und nicht zuletzt leiden immer mehr pflegende und betreuende Angehörige unter der hohen Doppelbelastung zwischen Beruf und Pflege. Daraus resultieren oftmals negative gesundheitliche Folgen, die sich wiederum erschwerend auf die eigene Erwerbstätigkeit und Pflegefähigkeit auswirken.
Die Vorlage kommt am 10. Dezember in den Nationalrat und wird vermutlich noch in der Wintersession vom Parlament verabschiedet. Procap Schweiz setzt sich weiterhin gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Angehörigenbetreuung (IGAB) für die Interessen der Betroffenen ein.

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