Isabelle Mora

«An meiner Arbeit gefällt mir besonders, dass ich viel Kontakt mit Menschen habe und ihnen helfen kann, die beste Lösung für ihre Bedürfnisse zu finden.»

«Ich liebe es, Lösungen zu finden»

Isabelle Mora
(*1972) lebt seit ihrer Kindheit im Kanton Wallis. Sie ist selbstständige Architektin und arbeitet seit 2019 in einem Teilzeitpensum für die Bauberatung von Procap Unterwallis. Sie ist eine leidenschaftliche Sport- und Naturliebhaberin und gibt in ihrer Freizeit Kurse im Indoor Cycling.

Interview: Ariane Tripet, Fotos: Valérie Pinauda

Procap: Mit welchen drei Worten würdest du dich selbst beschreiben?
Isabelle Mora:
Grosszügig, authentisch und dynamisch. Grosszügig, weil ich gerne helfe, mit anderen teile und die Menschen liebe. Authentisch, weil ich eher bodenständig bin und die Dinge einfach mag. Und dynamisch, weil ich viel Energie habe. Mein Spitzname ist Speedy Gonzales. Und meine Tochter sagt oft zu mir: «Mama, du bist so positiv, du nervst mich.» (lacht)

Wofür begeisterst du dich?
Fürs Velofahren. Ich habe sogar ein Velo im Büro, weil es in Sion viele Baustellen hat und ich mich so schneller fortbewegen kann. Heute fahre ich vor allem zum eigenen Vergnügen, aber früher haben mich Herausforderungen gereizt. Die verrückteste Tour war von Canobbio im Tessin über den Simplon nach Sion an einem Tag. Heute bin ich ausgeglichener. Seit etwa 20 Jahren gebe ich Kurse im Indoor Cycling. Zudem bin sehr gerne in der Natur. Ich liebe Bäume und gehe gerne spazieren. So tanke ich Energie.

Was beinhaltet deine Arbeit bei Procap?
Ein grosser Teil meiner Arbeit umfasst die Prüfung von Baugesuchen. Im Kanton Wallis kommen alle Baueingabegesuche automatisch zu uns, wenn es sich dabei um Arbeitsplätze, um öffentlich zugängliche Gebäude oder um Wohnhäuser mit mehr als vier Wohnungen handelt. Dann gibt es die Projektberatung für Architekt*innen und Behörden sowie die Bauabnahme. Bei einer Bauabnahme werden wir beispielsweise von einer Gemeinde eingeladen, einen fertiggestellten Bau daraufhin zu prüfen, ob er zugänglich ist und ob alles den Normen entspricht. Hierbei gibt es leider oft Probleme, etwa eine falsch angebrachte Haltestange oder eine Toilette, die nicht in der richtigen Achse steht. Diese Dinge nachträglich zu korrigieren, ist teuer. Es wäre deshalb besser, wenn wir bereits in der Bauphase präsenter wären. Des Weiteren unterrichte ich an vier bis sechs Tagen im Jahr Student*innen im Bauwesen. Für diese organisiere ich jeweils einen halbtägigen Sensibilisierungskurs, bei dem sie sich im Rollstuhl fortbewegen müssen. Dadurch werden sie sich der vielen physischen Hindernisse im Alltag bewusst. Und nicht zuletzt mache ich für Procap auch individuelle Bauberatung.

Was gefällt dir an deiner Arbeit am besten?
Der Kontakt mit Menschen und dass ich dabei die Möglichkeit habe, anderen helfen zu können. Ich liebe es, Lösungen zu finden.

Was ist dabei die grösste Herausforderung?
Die besten Hilfsmittel für die jeweilige Situation zu finden. Jede Person ist einzigartig. Deshalb sind auch die Bedürfnisse jeder Person unterschiedlich, und kein Fall ist wie der andere. Die Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten» hilft. Aber man muss für jede Person und jede Wohnung eine angepasste Lösung finden. Ich muss jeweils die richtigen Informationen von den richtigen Leuten bekommen und in einen Zusammenhang setzen. Dafür ist es sehr wichtig, gut zuhören zu können: Was sind die Bedürfnisse der Klient*innen, welche Gewohnheiten haben sie? Und weil ich nicht alles wissen kann, brauche ich auch die Informationen beispielsweise eines Ergotherapeuten, um zu verstehen, was es bei einer bestimmten Behinderung braucht. Ich muss von Fachleuten wissen, welches das beste Hilfsmittel ist, das von der IV bewilligt wird. Und mit all diesen Informationen finde ich dann eine Lösung, die umsetzbar ist. Das ist individuelle Bauberatung.

Gibt es bei den Procap-Mitgliedern eine grosse Nachfrage nach individueller Bauberatung?
Ich denke ja. Nur wissen nicht alle unsere Mitglieder, dass wir Bauberatung anbieten und dass diese Leistung für sie kostenlos ist.

Was muss im Bereich des hindernisfreien Bauens noch erfunden werden?
Man könnte mit verschiedenen Materialien arbeiten und so die Norm mit Ästhetik verbinden. Um zum Beispiel einer Person mit einer Sehbehinderung zu ermöglichen, die Treppenstufen zu sehen, muss die sogenannte Setzstufe mit einem Streifen in einer anderen Farbe markiert werden. Anstatt wie üblich dafür einen selbstklebenden Streifen zu verwenden, könnte man etwa mit unterschiedlichen Betonfarben arbeiten, was viel ästhetischer wäre. So etwas muss man allerdings von Anfang an mitdenken.

Was braucht es für eine inklusivere Gesellschaft?
Sie entsteht. Manchmal wünschte ich, es würde sich alles etwas schneller bewegen, aber sie entsteht. Wie bei allem im Leben kommt es auch hier darauf an, wie man die Dinge betrachtet. Ich nehme die Entwicklungen in der Politik, im Denken der Leute, vor allem hier im Wallis, durchaus positiv wahr. Es geht voran, zumindest sehe ich das so.

Welche Superkraft hättest du gerne?
Ich würde gerne Frieden stiften können und bewirken, dass jeder Mensch friedlich leben kann. Für mich selbst habe ich dieses Ziel – glaube ich – erreicht. Dieses Wohlbefinden, wenn man mit sich selbst im Reinen ist und anderen etwas geben kann, ist ein sehr schönes Gefühl.

Hast du einen bestimmten Traum?
Ich lebe ihn jeden Tag. Es hört sich vielleicht etwas geschwollen an, wenn ich das so sage. Aber ich denke, es ist genau dieser Friede mit sich selbst. Und die Liebe. Denn es ist auch die Liebe in meinem Leben, die mir diesen Frieden ermöglicht. Alles ist im Lot. Und mit meiner Familie bin ich sehr glücklich. Meinen Kindern geht es gut, ich bin kerngesund. Ich bin jeden Tag voller Dankbarkeit.