Caro Baier

Caro Baier mit Ihrem gelben Alinker auf einem Kiesweg
Mit dem Alinker ist Caro Baier stets auch auf Augenhöhe mit anderen Menschen.

«Mich interessieren Lösungen»

Caro Baier
(*1971) ist Unternehmerin und Mutter von zweier Söhne. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich und ist seit 2017 Mitglied bei Procap. 2010 wurde bei ihr Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert. Da die für sie ideale Gehhilfe «Alinker» in der Schweiz nicht erhältlich war, übernahm sie kurzerhand den Vertrieb für die Schweiz, Deutschland und Österreich.

Interview: Esther Banz
Fotos: Markus Schneeberger

Procap: Caro Baier, wir befinden uns in deinem Büro in Zürich. Es ist auch ein Showroom. Du hast vor bald fünf Jahren wegen deiner MS-Erkrankung ein Laufrad gesucht und den «Alinker» der holländischen Designerin Barbara «BE» Alink gefunden. Inzwischen vertreibst du das Mobilitätshilfmittel gleich selbst. Warum?

Caro Baier: Nach einem starken MS-Schub konnte ich vieles nicht mehr machen. So ging ich mehrere Jahre nicht mehr an die Turniere und Matchs meiner Söhne, weil die Sportanlagen für mich oft schwierig zu erreichen sind und dort Sitzmöglichkeiten fehlen. Ich suchte daher ein Gerät, das mir die Teilhabe als Zuschauerin an diesen Sportanlässen wieder ermöglichte. Der Alinker ist das ideale Gerät dafür.

Weshalb kam ein Rollator nicht infrage?
An einem Rollator kann ich mich beim Gehen und Stehen abstützen. Aber der Rollator kann mich in der Bewegung nicht aktiv entlasten, man wird auf Dauer müde. Der Alinker hingegen lässt mich im Sitzen gehen, er stabilisiert mich. Ich kann gemütlich oder auch mit Tempo unterwegs sein. Und er hält fit: Obwohl ich sitze, setze ich meine Beine ein. Diese Links-rechts-Bewegungen trainieren das Hirn und begünstigen die Neuroplastizität.

Du bist ein aktiver Mensch. Wie erlebst
du das Unterwegssein?

Was die Barrierefreiheit betrifft, komme ich immer wieder ins Staunen: Kürzlich absolvierte ich ein CAS an einer Hochschule. Es ging um Behinderung und Selbstbestimmung. Wir betroffenen Teilnehmenden waren dann aber vor allem mit unüberwindbaren Grenzen konfrontiert – angefangen beim Baulichen bis hin zu den Präsentationen, deren Inhalt sich für eine Teilnehmerin mit Sehbehinderung nicht erschloss, weil es keine Audio-Beschreibung der Bilder gab. Auch gab
es keine zufriedenstellende Möglichkeit, online teilzunehmen – obwohl seit Corona Hybrid-Veranstaltungen kein Problem mehr sein sollten. Fehlende oder schlecht gekennzeichnete Parkplätze wären ein weiteres Thema.

Welche Erfahrungen machen Nutzer*innen des Alinker im öffentlichen Verkehr?
Ich bin selten im öffentlichen Verkehr unterwegs. Im Jahr 2020, als erst wenige Personen hierzulande einen Alinker hatten, war einem Nutzer der Transport in einem Bus in Thun verweigert worden. Das Transportunternehmen hatte dies damit begründet, dass der Alinker nicht auf der Hilfsmittelliste der SBB stehe. Meine Nachfrage bei den Bundesbahnen bestätigte, dass sie den Alinker tatsächlich nicht als Gehhilfe akzeptierten wie etwa einen Rollator. Deshalb braucht es dafür auch einen «Behinderten»-Kleber und eine Bewilligung der SBB. Das hat mich sehr verärgert – es ist doch nicht an den SBB, zu entscheiden, was für uns ein Hilfsmittel ist!

Wie ging es dann weiter?
Die SBB haben sich nicht bewegt. Der Alinker steht noch immer nicht auf ihrer Hilfsmittelliste. Ich schlug damals vor, ihnen das Gerät vorzustellen, aber darauf gingen sie gar nicht ein. Viele Menschen mit Behinderungen gehen ungern aus dem Haus, weil sie mit den gängigen Hilfsmitteln sofort stigmatisiert werden. Der Alinker ist nicht nur praktisch – er ist auch ein Mittel gegen diese Stigmatisierung.

Weil er gut aussieht?
Ja, das Aussehen ist wichtig! Und die Begegnung auf Augenhöhe – auch das ermöglicht der Alinker. Dafür engagiere ich mich. Ich bin leidenschaftlich und eine Kämpfernatur. Mich interessieren Lösungen, nicht Probleme.

Möchtest du nicht in die Politik gehen?
(schüttelt den Kopf) Mit meiner MS kann ich nicht so zuverlässig sein, wie ich es gerne wäre. Ich kann etwa Termine nicht immer einhalten. Heute mag ich fit sein. Aber morgen sage ich vielleicht kaum fünf Sätze.

Welche Superkraft hättest du gerne
Ich bin bereits superkräftig, ich brauche keine weitere Superkraft! (lacht)

Worauf bist du besonders stolz?
Auf meine Familie! Meine Söhne sind jetzt Teenager – als es mit der MS anfing, waren sie noch Kleinkinder. Ich bin stolz, dass sie mit meiner Behinderung ganz natürlich umgehen. Das Glück begleitet uns trotz der Krankheit. Und dass sie im Sport so erfolgreich sind, erfüllt mich auch mit Stolz.

Welche Botschaft möchtest du teilen?
Verfolge deine Träume mit Passion, sei aber achtsam und empathisch gegenüber deinen Mitmenschen!

Was bedeutet Procap für dich?
Procap ist zuverlässig für mich da – stets professionell, empathisch, kollegial. Als ich ein Problem wegen der IV-Rente hatte, erhielt ich Unterstützung. Ich war beeindruckt, wie schnell die juristischen Mitarbeitenden mir antworteten, alles klärten und regelten. Ich erlebe Procap zudem als authentisch. Man weiss, dass dort auch Menschen arbeiten, die selbst von irgendeiner Form von Behinderung betroffen sind.

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