Dölf Keller

Seit über vier Jahren moderiert Dölf Keller im Radio die Talk-Sendung «Der flotte Zweier».

«Mein Lieblingsinterview war mit einer Slam-Poetin»

Dölf Keller
(1964*) ist Mitglied der Sektion Procap Baden. Er lebt in Wettingen und hat seit Geburt eine Cerebralparese (CP). Dölf Keller liest viel und hört gerne Musik. Er organisierte das lokale Rockfestival Rock4Handicap und moderiert einmal im Monat eine Talk-Sendung auf Radio Kanal K.

Interview: Patrick Dubach, Fotos: Markus Schneeberger

Procap: Was können Sie besonders gut?
Dölf Keller: Eigentlich fast alles. Man muss auch fast alles können im Leben, oder etwa nicht?

Was ist Ihre grösste Errungenschaft?
Dass ich Laufen gelernt habe, noch als Kind. Man hat meine Behinderung, die ich seit Geburt habe, erst bemerkt, als ich fünf Jahre alt war. Ich konnte damals noch nicht sprechen und nicht laufen. Mein Arzt gab mir eine Ohrfeige und sagte zu mir «Jetzt lauf ändlech». Erst später durfte ich in die Ergo- und Physiotherapie. Heute kann ich dank den Therapien und viel Training sprechen und laufen.

Woran erinnern Sie sich gern?
An meinem Sprachaufenthalt vor vielen Jahren. Ich absolvierte einen Englischkurs und ging anschliessend mit meinem Betreuer für drei Wochen nach Südengland. Und an meine verstorbenen Eltern. Mein Vater ist vor zehn Jahren und meine Mutter vor drei Jahren gestorben. Ich vermisse sie immer noch. Aber wenn es auch manchmal schmerzt, sind es schöne Erinnerungen.

Was ist Ihr grösster Traum?
Eine Frau kennen zu lernen und mit ihr eine Partnerschaft einzugehen, Liebe und Sexualität gemeinsam zu geniessen. Ich war mit diesem Anliegen schon einmal im «Blick» auf der Frontseite. Daraufhin haben sich zehn Frauen gemeldet, aber schlussendlich wollte dann doch keine. Es ist einfach schwer für Menschen mit Behinderung, jemanden zu finden, der zu einem passt.

Sie moderieren auf dem Radiosender Kanal K ihre eigene Talk-Sendung. Wie kam es dazu?
Im Jahr 2013 konnte ich die ersten Gehversuche beim «Happy Radio» von Radio Lora in Zürich machen und bin zwei Jahre später zu Radio Kanal K in Aarau gewechselt. Ausserdem habe ich einen Grundkurs in Radiojournalismus besucht. Seit 2017 moderiere ich meine eigene Talk-Sendung. Zuerst hiess sie «Der flotte Dreier». Aber seitdem mein Kollege ausgestiegen ist, heisst die Sendung nun «Der flotte Zweier».

An welches Interview erinnern Sie sich speziell?
Ich habe viele Interviews geführt. So waren zum Beispiel schon Franz Hohler, Röbi Kohler und Kurt Aeschbacher meine Gäste. Das Gespräch mit Emil Steinberger, dem bekannten Kabarettisten, fand ich besonders spannend. Aber mein Lieblingsinterview war mit Slam-Poetin Lara Stoll, das war sehr lustig.

Wen haben Sie noch auf Ihrer Wunschliste?
Ach, da gibt es viele. Irgendwann möchte ich mal einen Bundesrat anfragen. Oder wenigstens den Alt-Bundesrat und Namensvetter Adolf «Dölf» Ogi.

Worüber freuen Sie sich?
Über meine Sendung und die Leute, die in die Sendung kommen. Und über das schöne Wetter!

Worüber ärgern Sie sich?
Wenn es Absagen für ein Interview gibt. Oder wenn Menschen nicht tolerant sind. Und über meine Rückenschmerzen, die nur dank Schmerzmitteln einigermassen erträglich sind.

Was bedeutet Procap für Sie?
Procap bietet die Möglichkeit, mich mit anderen Menschen in der Freizeit zu treffen, etwa beim Waldhöck oder bei einem Essen. Manchmal geht es auch in den Zirkus oder auf eine Reise. Das gefällt mir. Ich wünschte mir aber gerade in unserer Sektion mehr Anlässe und Aktivitäten.

Wie erreichen wir eine inklusive Gesellschaft?
Es gibt auf diesem Weg noch so viele Baustellen. Das fängt an beim Thema Liebe und geht bis hin zur Politik, in der noch immer kaum Menschen mit Behinderungen vertreten sind. Ich selbst bin in der Gruppe «Mitsprache Zürich» engagiert, deren Mitglieder beispielsweise an den Fachhochschulen Vorträge zum Thema Inklusion halten. Zudem habe ich mich auch schon bei der Bundeskanzlei dafür eingesetzt, damit das Abstimmungsbüchlein endlich in leichter Sprache verfasst wird. Aber wie es in einer Demokratie halt so ist: Die Mehrheit entscheidet. Und zu der gehören wir einfach nicht.

Was ist Ihr Ziel im Leben?
Weitermachen mit dem Radio. Irgendwann möchte ich mal ein Buch über mein Leben schreiben. Und ich suche jemand, der über mein Leben einen Dokumentar- oder sogar einen Spielfilm drehen möchte.

Welche Botschaft möchten Sie gerne vermitteln?
No risk no fun – im Sinne von: Wer nichts riskiert, hat auch keinen Spass.