Politische Partizipation

Procap fordert die volle Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben für Menschen mit Behinderungen. Obwohl die Schweiz die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNO-BRK) im Jahr 2014 ratifiziert hat, sind die politischen Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Schweiz nach wie vor nicht gewährleistet. Damit Menschen mit Handicap abstimmen, wählen und politische Ämter ausüben können, müssen Behörden und Parteien Schranken abbauen.

In der Schweiz leben 1,8 Mio. Menschen oder rund 20 % der ständigen Wohnbevölkerung mit Behinderungen (Quelle: BFS Link öffnet in neuem Fenster.). Auch Menschen mit Behinderungen wollen ihre Bürgerrechte wahrnehmen, am politischen Leben teilnehmen und politisch Verantwortung übernehmen. Im Bundesparlament sind Menschen mit Behinderung jedoch untervertreten. Auch auf Ebene der Kantone und Gemeinden sieht es nicht viel besser aus. Heute gibt es zudem zahlreiche bauliche, technische, sprachliche und kommunikative Hürden, die Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung ihres Stimmrechts sowie ihres aktiven und passiven Wahlrechts behindern.

Die Schweiz muss handeln

Die Schweiz ist 2014 der UNO-Behindertenkonvention (UNO-BRK) beigetreten und verpflichtet sich dadurch, Hindernisse zu beheben, mit denen Menschen mit Behinderungen konfrontiert sind, sie gegen Diskriminierungen zu schützen und ihre Inklusion und ihre Gleichstellung in der Gesellschaft zu fördern. Artikel 29 UNO BRK verlangt die volle Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben für Menschen mit Behinderungen. Die Vertragsstaaten garantieren Menschen mit Behinderungen die politischen Rechte sowie die Möglichkeit, diese gleichberechtigt mit anderen zu geniessen (Quelle: SR 0.109 - Übereinkommen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (admin.ch) Link öffnet in neuem Fenster.). 


Procap engagiert sich politisch

Diese verlangt in Artikel 29 die volle Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben für Menschen mit Behinderungen.Im Jahr 2015 hatte Procap mit AGILE.CH an einer gemeinsamen Sensibilisierungsaktion vor dem Bundeshaus dazu aufgerufen, dass

  • die Schweizer Wahlberechtigten Menschen mit Behinderungen in politische Ämter wählen.
  • Parteien aktiv Barrieren abbauen, Vorurteilen entgegentreten und die politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen fördern. Dies namentlich, indem Parteileitungen sich und ihre eigenen Mitglieder informieren und sensibilisieren.
  • Bund, Kantone und Gemeinden aktiv Hindernisse abbauen, um die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen. Namentlich betrifft dies bauliche, technische, sprachliche und kommunikative Barrieren.
  • Parteien und Gewählte eine Türöffner-Funktion wahrnehmen für die vollumfängliche, gleichberechtigte politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.
  • die Parteien eine aktive Gleichstellungspolitik betreiben mit dem Ziel der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen.

Den Präsidenten und den Mitgliedern des National- und Ständerates wurde ein Manifest für eine vollumfängliche politische Teilnahme von Menschen mit Behinderungen überreicht. Im Anschluss an die Aktion reichten Procap Schweiz und AGILE.ch dem Parlament eine Petition ein, die zur Förderung der politischen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen aufruft. Die Kommissionen sahen keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, forderten den Bundesrat aber auf zu prüfen, mit welchen Massnahmen die Hindernisse, welche Menschen mit Behinderungen die politische Partizipation erschweren, beseitigt werden können (siehe 17.3972 s Po. SGK-SR. Politische Partizipation von Menschen mit Behinderung Link öffnet in neuem Fenster.). Die Antwort des Bundesrates erfolgt voraussichtlich im Rahmen der periodischen Berichterstattung zur Umsetzung des Berichtes zur nationalen Behindertenpolitik und wird als Teil der Berichterstattung der Schweiz zur Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention im Dezember 2022 erwartet.


Politische Rechte noch immer nicht gewährleistet

Im März 2022 wurde die Schweiz zum ersten Mal zur Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention (BRK) geprüft. Der Dachverband der Behindertenorganisationen Inclusion Handicap, bei dem auch Procap Mitglied ist, veröffentlichte im Februar 2022 den Schattenbericht Link öffnet in neuem Fenster., welcher den Stand der Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention BRK aus Sicht der Behindertenorganisationen analysiert.

Die erste Prüfung zur Umsetzung der UN-BRK im März 2022 zeigt, dass die Schweiz die Anforderungen auch im Bereich der politischen Rechte weitestgehend noch nicht erfüllt. Die Organisationen kommen zum Schluss, «dass die politischen Rechte (Art. 29 BRK) von Menschen mit Behinderungen in der Schweiz nicht gewährleistet sind. Art. 136 BV hält nach wie vor fest, dass Menschen, die «wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind», keine politischen Rechte haben. Im Gesetz wird dies wie folgt konkretisiert: Menschen, die «wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftrage Person vertreten werden», sind vom Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen (Art. 2 BPR). Betroffen sind insbesondere Menschen mit psychischen und kognitiven Behinderungen. Diese Regelung ist mit Art. 29 und Art. 12 BRK unvereinbar. Weiter bestehen mangels barrierefreier Aufbereitung von Abstimmungs-/Wahlmaterialen und Informationen Benachteiligungen bei der Ausübung der politischen Rechte. Trotz diesbezüglichen Fortschritten können blinde und sehbehinderte Menschen ihr Stimm- und Wahlrecht nach wie vor nicht autonom ausüben. Auch fehlen professionelle Strukturen zur unterstützten Entscheidfindung. Hinzu kommt, dass Menschen mit Behinderungen in der Schweizer Politik stark untervertreten sind.» (Quelle: UNO-BRK Aktualisierter Schattenbericht, Februar 2022, Inclusion Handicap, Schweiz Link öffnet in neuem Fenster.)

Procap wird sich daher weiterhin in Koordination mit Inclusion Handicap dafür einsetzen, dass Menschen mit Behinderungen die ihnen zustehenden politischen Rechte erhalten und ihre volle Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben gewährleistet ist.


Procap-Denkfabrik

Um sich für die eigenen Rechte einzusetzen, sich politisch mehr Gehör zu verschaffen und wesentliche Verbesserungen zu erzielen, haben sich Menschen mit Behinderungen unter Mitwirkung von verschiedenen Fachpersonen in der Procap-Denkfabrik in regelmässigen Abständen zwischen August 2020 bis Juni 2021 zum Austausch über behindertenpolitische Themen getroffen. In der Procap-Denkfabrik wurden Mängel benannt und diskutiert sowie individuelle Bedürfnisse oder Lösungsansätze besprochen. Daraus resultiert ist ein ausführliches Positionspapier mit mehr als 30 Forderungen, wovon einige bereits als Vorstösse im Parlament eingereicht worden sind. Mehr dazu erfahren Sie auf der Denkfabrik.


Mit der Website «Auf dem Weg zur inklusiven Partei» Link öffnet in neuem Fenster. gibt Pro Infirmis Parteien Tipps, wie diese zu mehr Inklusion beitragen und Schranken für Menschen mit Behinderungen aufheben können. Beispielsweise indem Wahlunterlagen barrierefrei gestaltet, Informationen in leichter Sprache vermittelt oder Sitzungssäle für alle zugänglich gemacht werden.