Nymas Weg zu mehr Selbstständigkeit

«Geh weg, ich kann das selbst», signalisiert Nyma (15) ihrem Vater Simon mit Gesten und Blicken, als er ihr beim Aufsteigen auf ihr dreirädriges Velo helfen will. Er tritt einen Schritt zurück und Nyma versucht es selbst. Sie konzentriert sich und sammelt Kraft, bis sie es nach mehreren Versuchen schafft.

Die 15-Jährige lebt mit Trisomie 21 und einer Cerebralparese. Sie ist - wie alle Teenager - in dem Alter, wo sie sich von ihren Eltern lösen will. Um diesen Schritt gehen zu können, ist sie auf Unterstützung durch die IV angewiesen. Geldleistungen würden Sicherheit schaffen, die Eltern entlasten und Freiräume ermöglichen. Procap konnte die Familie immer wieder begleiten und für ihre Rechte kämpfen. Wir haben die Eltern getroffen, um über ihre Sorgen und Wünsche zu sprechen.

Wie geht es Ihnen und der Familie aktuell? Wo liegen die grössten Herausforderungen?

Marianne (Mutter von Nyma): «Wenn mich das jemand fragt, dann sage ich, hart am Wind, aber wir kommen voran. Es stellen sich immer wieder neue Herausforderungen und es hört nicht auf. Gewisse Probleme bestehen seit Jahren. In den ersten drei Lebensjahren hatte Nyma vor allem Herz- und Verdauungsprobleme, die uns sehr beschäftigten und viel Platz einnahmen. Dazu kam früh die sehr anspruchsvolle Sehförderung.

Heute im Alltag merken wir, dass es Nyma zunehmend stört, dass ich sie als Mutter überall hinbegleiten muss. Beispielsweise kann sie den Weg zu ihren Freizeitaktivitäten nicht alleine bewältigen und nur so ist für sie eine Teilnahme überhaupt erst möglich. Sie braucht auch für all ihre Therapie- und Arzttermine eine Begleitung, zum Teil muss ich für Nyma sprechen, weil sie das nicht kann. Sie ist ein 15-jähriges Mädchen und möchte, wie andere in ihrem Alter, sehr viel mehr selbstständig machen, ohne die Eltern. Doch Nyma kann Gefahren nicht einschätzen, wir können sie nicht allein lassen. Früher waren ihre Brüder noch zuhause. Ihnen konnten wir zwischendurch sagen, dass sie auf Nyma aufpassen sollen. Dann konnte ich mal 20 Minuten weg.

Nyma wäre zudem sehr gern mit anderen Kindern zusammen. Solche Kontakte im Dorf fehlen. Ich habe sie schon beobachtet, dass sie auf dem Tablet Filme schaut, wie andere Kinder spielen. Als ich dies zum ersten Mal gesehen habe, hat es mich richtig geschüttelt. Die soziale Isolation ist ihre harte Realität. Aber wissen Sie, trotz allem sind wir überglücklich, dass wir Nyma aufwachsen sehen dürfen. Sie hätte bereits im ersten Halbjahr nach der Geburt so oft sterben können. Nyma hat um ihr Leben gekämpft. Wir haben sie bei uns , das ist ein riesiges Geschenk.»

Wie unterstützt Sie Procap bei der Bewältigung von Herausforderungen?

Seit Nyma einjährig ist, sind wir Mitglied bei Procap. Es gibt viele Organisationen, die sich für Menschen mit Behinderungen einsetzen, aber Procap setzt sich gezielt ein. Derzeit erhalten wir erneut Unterstützung von einer Rechtsanwältin von Procap, die sich bereits mit Erfolg für uns eingesetzt hat. Wir sind froh, können wir diese Verantwortung abgeben und haben das Gefühl, dass sich jemand wirklich für uns einsetzt.

In welchen Bereichen wünschen Sie sich mehr Unterstützung?

Simon (Vater von Nyma): «Vieles hat sich in den letzten Jahren verbessert. Trisomie 21 wird heute beispielsweise als Geburtsgebrechen anerkannt, was bei Nymas Geburt 2009 noch nicht so war. Damals wurden verschiedene gesundheitliche Probleme auseinandergenommen und für jeden einzelnen Aspekt eine Kostengutsprache gemacht. Auf Anstoss vieler Verbände konnte für Menschen mit Behinderungen viel bewirkt werden. Wir wünschen uns von der Gesellschaft eine bessere soziale Integration. Nyma ist noch ein Kind und geht zur Schule. Aber wenn diese zu Ende geht, werden sich neue Herausforderungen stellen. Wir haben immer versucht, jedes unserer Kinder so zu begleiten, dass es einen Ort findet, wo es im Erwachsenenleben glücklich sein kann. Das wünschen wir uns auch für Nyma. Es ist die Aufgabe der Eltern, sich zu lösen, sodass die Kinder als Erwachsene in der Gesellschaft einen Schritt weitergehen können. Wie dies bei Nyma aussehen wird, das wissen wir noch nicht.»

Es sind Geschichten wie jene von Nyma, die zeigen, wie viel die Unterstützung von Procap bewirken kann. Dank Spender*innen konnten wir die Familie über die Jahre immer wieder begleiten und uns für ihre Anliegen einsetzen. Procap wird die Familie weiterhin auf ihrem Weg begleiten. Helfen Sie uns, weiterhin Familien wie Nymas zu unterstützen – jeder Beitrag zählt!

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Fotografie: Markus Schneeberger