Barrierefreiheit – oder eher behindert durch die Gesellschaft?

Céline Duss, 30-jährig, leidet an einem extrem seltenen Gendefekt, welcher ihren Alltag vor über fünf Jahren so ziemlich auf den Kopf gestellt hat. Der Perspektivenwechsel von ihrem Beruf als Pflege-
expertin zu selbst chronisch krank sein eröffnet neue Sichtweisen. Tagtäglich erfährt sie, mit welchen Hürden und Hindernissen Menschen mit Einschränkungen konfrontiert sind. Dies motiviert sie, sich für eine bessere Inklusion und eine hindernisfreiere Umwelt einzusetzen.

Céline sitzt im Elektrorollstuhl auf einem Waldspaziergang

Mit dem Elektrorollstuhl unterwegs zu sein, benötigt viel Planung und kostet Energie. Man ist nie sicher, ob man wirklich ans Ziel kommt. Da über ein Drittel der Bahnhöfe nicht barrierefrei sind, muss fast jede Zugreise telefonisch mindestens eine Stunde vor Abfahrt angemeldet werden, damit einem geholfen wird. Doch das klappt längst nicht immer, manchmal werde ich einfach vergessen. Diese Reisen enden dann sehr abrupt. Zudem raubt einem dies jegliche Spontaneität, aber auch Zuverlässigkeit, beispielsweise Termine wahrzunehmen. Eine weitere Lotterie stellen die Aufzüge zum Perron dar. Funktionieren sie nicht, komme ich entweder nicht zum Zug oder strande nach dem Aussteigen auf dem Perron. Auch dies sind sehr stressige und nervenaufreibende Situationen.

Weiter fällt man durch das Behindertwerden auf und ist stets auf fremde Hilfe angewiesen und den Launen der Helfenden ausgesetzt. Nichts mit Autonomie oder Freiheit. Wenn der Zug voll ist, wird lautstark darüber geklagt, wie viel Platz ich doch einnehme und dass ich zu anderen Zeiten oder gar nicht unterwegs sein müsste. Da bin ich nicht erstaunt, dass viele Betroffene sich schon gar nicht mehr in den ÖV wagen, zu behindert von der Umgebung, zu abgeschoben und ungewollt von der Gesellschaft …

Es gibt auch die anderen: Menschen, die sich umdrehen, freundlich nachfragen und versuchen zu helfen. Ein grosses Dankeschön an all diejenigen. Es wäre schön, wenn es noch mehr von euch gäbe.

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