Text Sabrina Salupo Fotos Jan Hürzeler
Diese vorbildliche Partnerschaft zeigt, wie sehr Barrierefreiheit das kulturelle Erlebnis bereichern kann. Die Gebärdensprachübersetzung ist hier keineswegs nur ein «Zusatz», sondern eine echte integrierte künstlerische Darbietung. Sie ermöglicht einem neuen Publikum, die Musik zu fühlen, zu verstehen und in vollen Zügen zu erleben.
Ein solches Ergebnis lässt sich jedoch nicht von heute auf morgen erreichen. Die Vorbereitung eines in Gebärdensprache übersetzten Konzerts erfordert viele Stunden anspruchsvoller Arbeit. Es geht nicht darum, Wort für Wort zu übersetzen, sondern die poetische und die rhythmische Welt eines Stücks in eine andere Sprache zu übertragen, die aus Bildern und Gesten besteht. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit dem Künstler, um die Botschaft hinter den Texten zu verstehen, die Emotionen zu erfassen und die ganze Intensität der Darbietung wiederzugeben.
Vier Dolmetscherinnen, eine Leidenschaft
In diesem Jahr wurde die Übersetzung des Konzerts dem Verein Ecoute Voir anvertraut, einer Organisation, die sich aufs Dolmetschen im kulturellen Bereich spezialisiert hat. Das Team bestand aus vier Dolmetscherinnen: Marie und Sophie, die beide gehörlos sind, sowie Mélanie und Lorette, die hören können. Während des Konzerts standen Marie und Sophie neben Sahel auf der Bühne, während Mélanie und Lorette vom Bühnenrand aus dolmetschten.
Diese Konstellation ermöglicht nicht nur eine flüssige und kontinuierliche Dolmetsch-Leistung, sondern stärkt auch die Sichtbarkeit der gehörlosen Menschen auf der Bühne. Für die gehörlosen Zuschauer*innen ist es ein starkes Zeichen der Inklusion, Dolmetscher*innen zu sehen, die ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Wahrnehmung der Welt teilen. Es zeigt, dass die Bühne ein Ort ist, an dem alle Stimmen, auch diejenigen, die sich mit den Händen ausdrücken, ihren Platz haben.
Ein unvergesslicher Abend
Das Konzert von Sahel war geprägt von emotionalen Höhepunkten. Bei einem davon lud der Künstler eine der Dolmetscherinnen ein, dem Publikum ein Zeichen zu geben, was zu einer spontanen, fröhlichen und zutiefst inklusiven Interaktion führte. Die Geste wurde mehrmals von den gehörlosen und den hörenden Zuschauer*innen im Chor wiederholt, was eine schöne Dynamik zwischen Bühne und Publikum schuf.
Dieser symbolische Moment verkörpert den Geist des Singing Hands Day perfekt: eine lebendige Begegnung zwischen Sprachen, Kulturen und Emotionen, getragen von der Musik.
Einmal mehr hat die Musik bewiesen, dass sie Worte übertreffen, Brücken zwischen Welten schlagen und Barrieren überwinden kann. Mit dieser Veranstaltung bestätigt das Montreux Jazz Festival seinen Ruf als immer offeneren Ort, an dem jede und jeder die Emotionen der Musik auf ihre und seine Weise voll und ganz erleben kann.
Eine Erfahrung, die wiederholt werden sollte
Procap Schweiz ist stolz darauf, dieses Projekt seit über zehn Jahren zu unterstützen, und bedankt sich herzlich bei den Interpretinnen, den Festivalteams, dem Künstler Sahel und allen, die an diesem Abend dabei waren. Der Singing Hands Day 2025 hat einmal mehr seine Mission erfüllt: eine lebendige Begegnung zwischen der gehörlosen- und der hörenden Welt in einem aussergewöhnlichen musikalischen Rahmen zu schaffen.
Wir freuen uns schon jetzt darauf, diesen Zauber 2026 bei einer neuen, noch inklusiveren und inspirierenderen Ausgabe wieder zu erleben. Denn Musik ist eine universelle Sprache – und dank der singenden Hände wird sie das noch ein bisschen mehr.