Text Cynthia Mira Fotos Markus Schneeberger
Andreas Steiner stiess bei der Wohnungssuche auf Barrieren, wobei er mit dem Wohnangebot der Brändli-Stiftung Glück hatte, die ihm die ebenerdige Wohnung mit breiten Türen einer früheren Wohngemeinschaft vermittelte.
Schon beim Eintreten merkt man: Die liebevoll eingerichtete Wohnung von Andreas Steiner ist anders. Die Türen öffnen sich per Sprachsteuerung, ebenso die Fenster. Mit dem smarten System Housemate lassen sich auch die Beleuchtung oder der Zugang zum Badezimmer steuern. Ohne physische Betätigung schiebt Andreas Steiner so Vorhänge zur Seite. «Man könnte auch alles auf Deutsch einstellen, aber ich bin mir die englische Sprache seit 2019 gewohnt», sagt er und ruft Siri auf: «Open Door». Die Terrassentür öffnet sich.
Der im Herbst fertiggestellte Umbau zeigt eindrucksvoll, wie moderne Technik und Planung Barrieren abbauen und ein Zuhause schaffen, das individuellen Bedürfnissen gerecht wird. «Ich fühle mich wohl. Im Unterschied zu der Wohnung, die ich in Solothurn hatte, merkt man, dass sie in einem älteren Haus ist. Kälte oder Wärme dringen schneller ein. Meist macht mir Kälte mehr zu schaffen als Wärme. Aber sobald das Thermometer in der Wohnung auf über 28 Grad klettert, schwellen meine Füsse und neu auch die Hände an. Ansonsten habe ich alles, was es für ein möglichst selbstständiges Leben braucht», sagt der 59-Jährige. Körperlich beschränkt sich seine Bewegungsfreiheit auf die stark eingeschränkten Arme und Hände. Deshalb bedient er das Smartphone, welches mit Kabel verbunden direkt am Rollstuhl befestigt ist, hauptsächlich mit Sprachsteuerung. Ruft z. B. jemand an, nimmt das Phone automatisch ab. «Ich bin darauf angewiesen, dass das Gegenüber nach dem Gespräch auch wieder auflegt», sagt er. Nur so schaltet sich der Anruf auch bei ihm ab.
Welche Hindernisse Andreas Steiner im Alltag erlebt, zeigt bereits sein Hauptbeweggrund für den Umzug von Solothurn nach Bern: Die Spitex hat den Nachtdienst eingestellt, und auf diesen war er angewiesen: «Ich kann erst kurz vor Mitternacht schlafen gehen, weil ich mich nicht drehen kann und nach fünf Stunden in der gleichen Position nicht mehr wohl bin», sagt er. Grund dafür ist seine spinale Muskelatrophie, mit der er zur Welt kam. Gerade für die Organisation der Hilfeleistungen spät am Abend ist er selbst verantwortlich. Das bedauere er manchmal, denn ein kommunales Angebot, wie er es in Solothurn gehabt habe, würde vieles erleichtern. Bern hat zwar einen Nachtdienst, aber dieser hat keine Kapazität. «Für jede Tätigkeit oder Reise muss jemand gefunden werden, der Zeit hat.» Das sei oft nicht einfach. «Auch Leute aus dem nahen Umfeld können nicht immer alles übernehmen. Für die Hilfe am Morgen braucht es mehrere Stunden», sagt er. Für die Abendeinsätze habe er zwar Glück und eine Lösung durch Private aus seinem freikirchlichen Umfeld und durch familiäre Beziehungen gefunden. Finanziert sind die Abendeinsätze über den Assistenzbeitrag der IV.
Die Entscheidung für den Ortswechsel sei ihm nicht leichtgefallen, wenngleich seine Familie in der Umgebung von Bern lebe und er hier aufgewachsen sei. «Die Stadt hat sich sehr verändert: Die Menschenmassen und die Anonymität gefallen mir nicht», sagt er. «Ich bin sehr freiheitsliebend und gehe, wenn immer möglich, jeden Tag nach draussen. Im Winter ist dies in der Schweiz für mich unmöglich. Darum verbringe ich seit rund 15 Jahren fast jeden Winter in Chiang Mai in Thailand. Das Klima dort tut mir sehr gut!» Zudem habe er in Thailand auch mit einer Familie eine Betreuung gefunden, die jeweils auf ihn warte – das sei immer ein sehr schönes Ankommen.