IV-Weiterentwicklung

Die Invalidenversicherung (IV) ist für Menschen mit Behinderungen die wichtigste Sozialversicherung. Auf den 1. Januar 2022 wurde die Invalidenversicherung revidiert. Zentrale Bestandteile der Revision sind unter anderem die intensivere Begleitung bei Geburtsgebrechen, die gezielte Unterstützung von Jugendlichen beim Übergang ins Erwerbsleben und der Ausbau der Beratung und die Begleitung von Menschen mit psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen. Zudem wurde das bisherige Rentenmodell durch ein stufenloses System ersetzt. Nachfolgend werden die wichtigsten Neuerungen aus Sicht von Procap erläutert.

Medizinische Massnahmen

Grundsätzlich wird mit der Revision der Invalidenversicherung (IV) eine grössere Harmonisierung zwischen den Leistungen der IV und der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) angestrebt. Medizinische Massnahmen können neu bis zum 25. Altersjahr verlängert werden, wenn die versicherte Person an einer beruflichen Eingliederungsmassnahme teilnimmt. Zudem gibt es generell einen Besitzstand für die von der IV übernommenen medizinischen Massnahmen über das 20. Altersjahr hinaus. Des Weiteren wurde die Liste der Geburtsgebrechen mit einer Spezialregelung für seltene Krankheiten aktualisiert. Dies ist wichtig, da bei seltenen Krankheiten die Kosten regelmässig sehr hoch sind.

Medizinische Gutachten

Im Bereich der medizinischen Gutachten hat sich Procap in den letzten Jahren intensiv für Verbesserungen eingesetzt. Die neuen Gesetzesbestimmungen sollen eine Verbesserung bei diversen Missständen im Gutachterwesen bringen. Verschiedene Massnahmen sollen die Qualität der Gutachten erhöhen. Die Gespräche werden nun mit einer Tonaufnahme dokumentiert und zu den Akten genommen. Zudem müssen die IV-Stellen künftig eine Liste mit Angaben zu allen beauftragten Sachverständigen und Gutachterstellen führen und veröffentlichen. Es bleibt zu beobachten, ob sich die Situation deutlich verbessert und die Stellung der Versicherten bei der Begutachtung gestärkt wird. Eine neu eingerichtete Kommission überwacht die Zulassung von Gutachter*innen, das Verfahren der Gutachtenerstellung sowie die Ergebnisse der medizinischen Gutachten – auch das eine wichtige Neuerung im Rahmen der Weiterentwicklung der IV. Für weitere Informationen zum Thema und zu aktuellen politischen Forderungen, siehe Medizinische Gutachten - Procap.

Assistenzbeitrag

Der Assistenzbeitrag erlaubt es Menschen mit Behinderungen, die notwendige Pflege und Betreuung selbst zu organisieren, was grössere Selbstständigkeit und mehr Selbstbestimmung ermöglicht. Die bisher ungenügende Abgeltung der Dritthilfe in der Nacht wurde dahingehend geändert, dass sie den Vorgaben des Modellarbeitsvertrags für Angestellte im Hausdienst entspricht. Mit der neuen Regelung wurde die Pauschale abgeschafft und die Möglichkeit geschaffen, die Vergütung der Nachtstunden auch für Assistenzleistungen am Tag einzusetzen.

Berufliche Massnahmen

 «Eingliederung vor Rente» lautet der Grundsatz, nach dem die Instrumente der IV ausgerichtet sind, welche Menschen mit Behinderungen bei der beruflichen Eingliederung unterstützen. Erst wenn die berufliche Eingliederung abgeschlossen, nicht möglich oder erfolglos ist, wird die IV-Rente geprüft. Die Instrumente der beruflichen Eingliederung standen bereits bei früheren IV-Reformen im Zentrum. Neu werden junge Erwachsene sowie Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung besser und länger unterstützt. Die IV erhält neu die Möglichkeit, kantonale Brückenangebote mit den Kantonen gemeinsam zu finanzieren und ausserdem wurde ein Personalverleih eingeführt, mit dem Arbeitgebende potenzielle Arbeitnehmende kennenlernen können. Die weiteren Änderungen betreffen Anpassungen und Ausweitungen bisheriger Massnahmen. Ausserdem sinkt das «kleine Taggeld» und wurde analog einem Lehrlingslohn konzipiert.

Das neue Rentensystem

Der Invaliditätsgrad bestimmt, auf welche Rente eine Person mit gesundheitlicher Einschränkung Anspruch hat. Weitere Informationen dazu finden Sie unter der Rubrik Invalidenversicherung. Neu – nach dem sogenannten stufenlosen Rentensystem – wird der ermittelte Invaliditätsgrad prozentgenau zur Berechnung der Rente eingesetzt. Abgelöst wurden die bisherigen vier Rentenstufen (Viertelsrente, halbe Rente, Dreiviertelsrente, ganze Rente). Für alle Neurentner*innen ab dem 1. Januar 2022 kommt das neue, stufenlose Rentensystem zur Anwendung. Damit sollen die bisherigen Schwelleneffekte, die z.B. bei Lohnerhöhungen ein Hindernis darstellten, abgebaut werden. Bei bereits laufenden Renten gelten verschiedene Übergangsbestimmungen, je Alter der Rentner*innen. Unverändert bleibt, dass erst ab einem IV-Grad von 40 % ein Anspruch auf eine IV-Rente besteht. Weitere Informationen und Rechnungsbeispiele hat «Inclusion Handicap» in einem Factsheet Stufenloses Rentensystem Link öffnet in neuem Fenster. zusammengefasst.

Einen ausführlichen Überblick zur IV-Weiterentwicklung finden Sie in der Procap-Broschüre IV-Weiterentwicklung_Neuerungen ab 1.1.2022 Link öffnet in neuem Fenster., die auch in gedruckter Version bezogen werden kann, sowie im Procap Magazin N° 4/2021 Link öffnet in neuem Fenster..

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