Lebenspraktische Begleitung – damit das Wohnen zu Hause möglich bleibt

Für viele Menschen gehört das Wohnen zu Hause zur Grundlage eines selbstbestimmten Lebens. Die IV unterstützt diesen Anspruch mittels Leistungen wie Hilfsmittel inkl. Umbauten, Hilflosenentschädigung (HE) und Assistenzentschädigung. Hinzu kommen je nach Bedarf Unterstützungen aus den Ergänzungsleistungen (EL) sowie Leistungen der Spitex. Eine Besonderheit der IV ist dabei die HE wegen notwendiger lebenspraktischer Begleitung. Was ist das genau?

Die Hilflosenentschädigung ist eine zentrale Leistung der IV. Sie wird aufgrund von Hilflosigkeit leicht, mittel oder schwer ausgerichtet. Hilflos ist, wer bei zwei, mehr oder allen sechs alltäglichen Lebensverrichtungen (Aufstehen, Essen, Körperpflege etc.) auf regelmässige Dritthilfe angewiesen ist. 

Wichtig: Der Bezug einer Hilf-losenentschädigung ist auch Voraussetzung für den Bezug einer Assistenzentschädigung. 

Nicht hilflos, aber auf Hilfe angewiesen

Nun gibt es jedoch Menschen, die trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung bei allen alltäglichen Lebensverrichtungen selbstständig sind, aber nicht mehr allein wohnen können und ohne Unterstützung geradezu verwahrlosen würden. 

Beispiel: Jemand leidet an den Folgen eines Schlaganfalls und ist beim Sprechen beeinträchtigt und sturzgefährdet, ansonsten aber selbstständig. Benötigt wird tägliche Hilfe beim Kochen, bei Hausarbeiten und Einkaufsbegleitung. Oder eine Person mit einer Autismus-Spektrum-Störung ist zwar bei allen alltäglichen Lebensverrichtungen selbstständig, benötigt aber im Bereich des Wohnens beispielsweise bei der Erledigung von Alltagsaufgaben, bei administrativen Aufgaben oder bei der Aktivitätenplanung Begleitung oder ist auf emotionale Unterstützung angewiesen. 

Die IV richtet deshalb eine HE aus, wenn lebenspraktische Begleitung notwendig ist, obschon eine Person nicht hilflos ist. 

HE wegen notwendiger lebenspraktischer Begleitung hat das Ziel, dass Menschen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ein selbstbestimmtes, sicheres und würdiges Leben zu Hause führen können. 

Wichtige Voraussetzungen und strenge Anspruchsprüfung

Für den Anspruch genügt jedoch der Bedarf an Haushalthilfe allein nicht. Voraussetzung ist, dass die betroffene Person ohne lebenspraktische Begleitung von mindestens zwei Stunden pro Woche schwer verwahrlosen und in ein Heim oder in eine Klinik eingewiesen werden müsste. 

Die IV-Stellen sind bei der Beurteilung des Anspruchs auf HE wegen notwendiger lebenspraktischer Begleitung streng. Vor allem bei Personen, die nicht allein leben, erachtet die IV die tatsächlich erbrachte Mithilfe von Familienmitgliedern oft als eine Frage der Schadensminderungspflicht und verneint damit den Anspruch. Dies ist nicht in allen Fällen gerechtfertigt und hat Procap schon öfters zu rechtlicher Intervention veranlasst - mit erfolgreichem Ausgang. 

Wichtig zu wissen: Bei Invalidität aufgrund einer psychischen Krankheit wird für die Beanspruchung einer HE wegen lebenspraktischer Begleitung vorausgesetzt, dass die betroffene Person eine Invalidenrente bezieht. Zudem besteht der Anspruch nur für Erwachsene. Er ist eine Besonderheit der IV, kann aber zur Wahrung des Besitzstands über das AHV-Alter hinaus weiter bezogen werden.

Silvan Meier Rhein, Anwalt